Im Schoße der Familie: Ein Resümee spannender Mittwochgottesdienste
Was bedeutet Familie heute? Wie wird sie gelebt?
Unter dem Titel „Die (Un-)Ordnung der Familie – Familien Leben heute“ begann am 14. September 2005 eine neue Reihe unserer Mittwochgottesdienste, die inzwischen eine langjährige Tradition haben. Zurückblickend zieht sich folgender roter Faden durch alle Abende: Die wesentliche und herausragende Rolle der Frau als Ernährerin und Erzieherin für den Erhalt und Zusammenhalt der Familie.
Jedes Mal wurde ein anderer Aspekt der „Institution Familie“ jenseits des Konzepts der klassischen Kernfamilie in unserer westlichen Gesellschaft beleuchtet. Und jedes Mal wurde deutlich, dass die Familie – in welcher Form auch immer – ein entscheidender Bestandteil der inneren Heimat ist. Unser Ausgangspunkt am ersten Abend waren die Familienbilder in der Bibel bzw. die kirchlichen Stellungnahmen zur Familie.
Als nächstes fragten wir uns, wie Familienleben und Familienberatung in einer modernen, multikulturellen Großstadt aussieht und funktioniert. Die Diplom Pädagogin Angelika Klein-Wittmeier von der Sozialpädagogischen Familienhilfe in Frankfurt berichtete sehr anschaulich von ihrer Arbeit mit so genannten „Problemfamilien“. Aber wer oder was ist eigentlich das Problem? Es wurde schnell klar, wie schwer es die Anforderungen unserer Zeit und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen machen, eine angemessene Form für familiäres Zusammenleben zu finden. Ohne eine gehörige Portion Kreativität, Offenheit und Toleranz lassen sich die verschiedenen Bedürfnisse nicht unter einen Hut bzw. ein Dach bringen.
Sehr interessant war auch der Bericht von Esther Ellroth, einer Dozentin der jüdischen Volkshochschule, die viele Jahre lang den jüdischen Kindergarten in Frankfurt geleitet hat. Sie machte deutlich, dass es gerade für die jüdische Gemeinde hier äußerst wichtig ist, Traditionen schon an die ganz Kleinen weiterzugeben, um eine religiöse und persönliche Identität zu entwickeln.
Ganz anders sieht die Entwicklung und Situation der Familie in China aus, gerade in Hinblick auf die dramatischen gesellschaftlichen Umwälzungen, die stattfanden und dort vor allem zurzeit stattfinden. China hat sich von der traditionellen, patriarchalen Gesellschaftsform des Konfuzius über die kulturelle Revolution Maos zu einer angehenden modernen Großmacht gewandelt, die vor großen sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen steht. Herr Chen von unserer chinesischen Partnergemeinde schaffte es, uns diese komplexen Probleme einfach und verständlich zu erklären.
Am 12. Oktober lernten wir von Dr. Helga Müller, welche Vielfalt an Familienformen es heutzutage in unserer Gesellschaft gibt. Wir diskutierten angeregt unter anderem über Patchwork-Familien, Adoptionsfamilien und Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Die Soziologin Karin Körber schilderte uns, dass das Familienleben von Migrantenfamilien oft nur über große räumliche und zeitliche Entfernungen aufrechterhalten werden kann. Das erfordert dementsprechend viel emotionale Nähe und Organisationstalent. Finanzfragen, Integration bzw. Gettoisierung machen es diesen Familien nicht gerade leichter.
Auch unser politisches Nachtgebet am Buß- und Bettag stand im Zeichen der Familie und war ganz klar ein Glanzlicht in der Reihe. An den Anfang stellte Pfarrerin Schoen mit einem Kunze-Gedicht das Bild vom Haus, wie es schon Kleinkinder zeichnen oder malen können. Ich finde das Haus ist auch eine schöne Metapher für die Familie: Alle Mitglieder sind durch tragende Wände bzw. Decken miteinander verbunden. Jedes Familienmitglied hat seinen eigenen Raum, seine eigene Funktion. Durch die Türen ist quasi Austausch und Kommunikation möglich. Das Haus, sprich die Familie, ist zwar ein abgeschlossenes System, aber durch die Fenster besteht eine transparente Öffnung nach außen.
Zum Abschluss der Reihe referierten drei Vertreterinnen der Sara-Hagar-Initiative über den Trialog der drei monotheistischen Weltreligionen und über die Leitlinien einer interreligiös verankerten Familienpolitik. Auch die Religionsgemeinschaft ist eine Form der Familie. Ich persönlich fand die aktuelle Mittwochgottesdienstreihe sehr gelungen. Die Teilnehmenden wuchsen im Laufe der Abende immer mehr zu einer „eingeschworen Gemeinschaft“, zu einer Art Familie zusammen. Hoffentlich wird diese schöne Tradition noch lange weitergeführt.
Katja Fischer