Chinesische Gemeinde im Ökumenischen Zentrum

Am Sonntagnachmittag, wenn die Oromo-Gemeinde nach Gottesdienst und Sonntagsschule noch im Saal beisammen sitzt, treffen sich Mitglieder der chinesischen Gemeinde im Upper Room und bereiten sich auf ihren Gottesdienst vor. Umgeben von spielenden Kindern stellen sie Stühle und bauen eine Leinwand zur Projektion von Liedtexten und ein Keyboard auf. Ab 15 Uhr hört man dann Singen und Beten.

Schon seit 2005 trifft sich eine chinesische Gemeinde in den Räumen des ÖZ. Die Gruppe stammte ursprünglich aus einer Gemeinde, die in der Andreasgemeinde im Nordend ihre Gottesdienste feiert. Die ins ÖZ ausgewandete Gemeinde nannte sich „Bread of Life“. Nach zwei Jahren ging der Pfarrer aber aus Frankfurt weg, und die Gemeinde löste sich weitgehend auf. Einige blieben übrig und versuchten die Gemeinde im ÖZ neu aufzubauen, aber es dauerte einige Zeit, bis die Gemeinde wieder wuchs.

Herr Wen lebt seit dreizehn Jahren in Deutschland. Er hat eine Zeit­lang in Gießen Geschichte und Journalistik stu­diert und in einem Studenten-Bibelkreis das Evangelium ken­nengelernt. Er hat eine eigene Firma, einen Paketversand ins In- und Ausland. Er ließ sich in der Andreasgemeinde taufen. Er hat inzwischen eine Familie gegründet und bringt seine drei Kinder mit in den Gottesdienst. Mit Herrn Wen kam Frau Jiao zu dem Gespräch, sie ist die Ansprechpartnerin der Gemeinde im ÖZ. Sie hat in Aachen Betriebswirtschaft studiert und sich dort einem kleinen Bibelkreis angeschlossen. Getauft wurde sie in der chinesischen Gemeinde in Essen. Sie arbeitet jetzt in Frankfurt.

Die Gemeinde umfasst zurzeit etwa 20 Erwachsene und 10 Kinder unter fünf Jahren. Seit 2012 gibt es ein dreiköpfiges Leitungsteam, ihm gehören außer Herrn Wen noch Frau Ding und Herr Chang an. Frau Wen ist verantwortlich für die Kinder, die während der Predigt im großen Saal spielen. Einen offiziellen Namen hat sich die Gemeinde noch nicht gegeben. Wenn, dann soll er das chinesische Wort für „Reichtum“ oder „Fülle“ enthalten. Die Gemeinde versteht sich als evangelisch und bezieht sich auf die Bibel als Grundlage ihres Glaubens. Es gibt keine Kindertaufe, der Wunsch getauft zu werden, ist eine bewusste Entscheidung, die ältere Jugendliche und Erwachsene fällen. Die Gemeinde pflegt kaum Beziehungen zu anderen chinesischen Gemeinden oder internationalen Organisationen. Man könnte sie als eine „Hauskirche“ verstehen, die sich aber nicht in einem Wohnzimmer, sondern an einem zentralen Ort trifft. Untereinander be­zeichnen sich die Mitglieder als „Geschwister“.

Etwa zehn Erwachsene und ihre Kinder kommen durchschnittlich zum Gottesdienst. Einmal im Monat reist ein Pfarrer aus Bonn oder Nürnberg an, um die Predigt zu halten und das Abendmahl zu leiten. Die anderen Gottesdienste werden reihum von den Geschwistern vorbereitet und ge­staltet. Ein Mitglied wählt die Lieder aus, die am Anfang des Gottesdienstes gesungen werden, und bereitet die Projektion vor. Ein Mitglied beginnt die Gebete, in die andere einstimmen. Ein Mitglied, das schon über größere Kenntnis verfügt, hält eine Predigt über einen biblischen Text oder ein Thema. Dann folgt ein „Zeugnis“, ein Bekenntnis persönlicher Gotteserfahrungen. Es wird vorher angekündigt, wer das Zeugnis hält, oder es geschieht auch spontan. Nach weiterem Singen folgt die Sammlung. Von dem Geld wird z.B. die Bahnfahrt des Pfarrers und der Beitrag an das ÖZ bezahlt. Es gibt keinen festen Satz, sondern die Geschwister entscheiden selbst, wie viel sie geben können. Und dann wird gemeinsam gegessen.

Herr Wen und Frau Jiao sind froh, dass sie im ÖZ Gottesdienst feiern können. Sie haben sich beide mehrfach durch Lesungen und Gebete am ÖZ-Got­tesdienst betei­ligt und tun das gern, und sie ver­suchen, regelmäßig im ÖZ Arbeitskreis mitzuarbeiten. Sie geben aber zu bedenken, dass viele Geschwister nicht so gut deutsch sprechen und es auch schwierig finden, zu zusätzlichen Veranstaltungen ins Westend zu kommen. Viele arbeiten im Gastgewerbe, haben lange Arbeitszeiten und sind schon froh, wenn sie es regelmäßig zu ihrem Gottesdienst schaffen.

Auf die Frage, was sich die Gemeinde für die Zukunft wünscht, antwortet Herr Wen, dass er sich wünscht, dass die Gemeinde wächst. Darunter versteht er aber nicht unbedingt ein zahlenmäßiges Wachstum, sondern ein geistliches Wachstum. Er möchte seine Gottesbegegnung immer mehr vertiefen und wünscht sich das auch für die Geschwister.

Das Gespräch wurde aufgezeichnet von Hildburg Wegener

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