Von Fluchtwegen und Lebenswegen

Das politische Nachtgebet am 21.2.2007

„Ich bedaure nur eines in meinem Leben: dass ich in Nigeria geboren wurde.“
Was muss ein Mensch erlebt haben, um solch eine Aussage zu machen? Die Worte sagte Peter Aimufua aus Benin City, nachzulesen im Buch „Der Traum vom Leben – Eine afrikanische Odyssee“ von Klaus Brinkbäumer, aus dem Peter Lehmann bei unserem Politischen Nachtgebet am Aschermittwoch vorlas.

Der Gottesdienst, vorbereitet von Pfarrerin Dr. Ursula Schoen und von Pfarrerin Irene Derwein-Sponsel aus der Flughafenseelsorge, hatte das Thema: Fluchtwege und Lebenswege. Die Texte dazu wurden vom Schauspieler Peter Lehmann eindrucksvoll vorgetragen und mit Kontrabassimprovisationen von Frank Willi Schmidt stimmungsvoll untermalt.

Nach einer Einführung in das Thema und dem gemeinsamen Gebet des Psalms 84 hörten wir wahre, erschütternde Berichte von Flüchtlingen über ihren schweren, mühsamen Weg nach Europa in eine vermeintlich freie, glückliche Zukunft. Danach gab es Zeit und Raum, um uns selbst auf eine innere Reise zu machen. Im großen Saal waren sieben Stationen mit schwarzen Tüchern aufgebaut, auf denen jeweils weitere Zitate aus Brinkbäumers Buch und auch Gedichte – zum Beispiel von Hilde Domin – lagen. Die Stationen hatten verschiedene Titel: Aufbruch, Warten, Fahrt, Wüste, Überfahrt, Rückschlag, und „Der Traum vom Leben“. An jeder Station hielten wir inne und beschäftigten uns mit dem jeweiligen Aspekt der Fluchtreise. Was ist das Ziel? Und wie wird es dort sein? Später stellte Pfarrerin Schoen noch den biblischen Bezug her. Sie verwies auf den Propheten Elia, der auch in die Wüste geflüchtet war und sich dort aufgegeben hatte, bis Gott ihm Raben schickte, die ihn versorgten und ihm so die Kraft und den Mut zum Weiterleben gaben. Gott schickte Raben, also Wesen aus dem konkreten Leben, und keine Engel. Könnte dies vielleicht ein Hinweis darauf sein, dass wir Menschen weniger auf himmlische Hilfe warten sollten und dafür uns gegenseitig immer mehr zu rettenden Raben werden sollten?

Die geschilderten Lebensgeschichten gingen jedenfalls zu Herzen und stimmten sehr nachdenklich. Aber auch hoffnungsvoll. Sie erzählten auch davon, dass ein schmerzhafter, gefährlicher Aufbruch in die Fremde und Ungewissheit gelingen kann, dass Fluchtwege zu Lebenswegen werden können. Die Fürbitten am Ende des Gottesdienstes offenbarten, dass das Thema „Vertreibung und Flucht“ für einige von uns nichts Fernes oder Abstraktes ist, sondern ganz konkret zur eigenen Biografie und Familiengeschichte gehört. Der Abend hat sicher einen guten Beitrag geleistet zum besseren Verständnis für die Not und Probleme der Menschen, die als so genannte „Illegale“ nach Europa flüchten, oft unter Einsatz ihrer ganzen Habe und ihres Lebens.

Wie immer gab es im Anschluss an den Gottesdienst Tee, Gebäck und die Möglichkeit zum angeregten Austausch. Die Kollekte des Abends war konsequenterweise für den kirchlichen Flüchtlingsdienst bestimmt.

Katja Fischer

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